Der BFH hat sich mit seinem Urteil vom 26. August 2020 (VI R 6/18) mit der Frage beschäftigt, wann man an einem Kapitalgesellschaftsanteil das wirtschaftliche Eigentum erlangt. Auch wenn die Entscheidung den Zufluss der Anteile in das Privatvermögen (Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit, § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG) betraf, lassen sich deren Aussagen vor allem auch auf Umstrukturierungen (UmwStG) übertragen. Mit Blick auf frühere Beiträge (vgl. Merkle/Vocke, BB 2019, 2519) äußert sich der VI. Senat auch zu (zivilrechtlich) unwirksamen Rechtsgeschäften, § 41 Abs. 1 S. 1 AO.
Arbeitslohn in Gestalt von Anteilen fließt in dem Zeitpunkt zu, zu dem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer das zivilrechtliche oder zumindest das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen verschafft (Rz. 23). Das wirtschaftliche Eigentum (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) geht auf den Erwerber über, wenn dieser a) aufgrund eines Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position (sog. Anwartschaftsrecht) erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, und b) die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte sowie c) das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind (Rz. 25 ff.). „Danach erlangt wirtschaftliches Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil, wer nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte, insbesondere Gewinnbezugs- und Stimmrechte) ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann“ (Rz. 29).
Diese Aussage kann auch (insbesondere) auf die Einbringung von Anteilen in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft gem. § 21 UmwStG übertragen werden, sodass die herrschende Meinung in der Literatur (statt vieler s. nur Patt in: Dötch/Pung/Möhlenbrock, UmwStG, Stand: Juni 2019, § 21 Rz. 4 m. w. N.) bestätigt wird bzw. die Voraussetzung der Einbringung des wirtschaftlichen Eigentums und der Einbringungszeitpunkt durch den BFH weiter konkretisiert werden. Es ist nicht ersichtlich, dass die steuerrechtliche Zuordnung von Anteilen bei der Einbringung in das Betriebsvermögen einer Kapitalgesellschaft (von der Rspr.) anders beurteilt werden sollte, als bei dem Zufluss(‑zeitpunkt) in das Privatvermögen bei einem Arbeitnehmer.
Vor Kurzem wiesen Merkle/Vocke, BB 2019, 2519 (2525 f.), daraufhin, dass es bei der Thematik der verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) nicht des wie ein „Tatbestandsmerkmal“ wirkenden Merkmals der zivilrechtlichen Wirksamkeit bedarf, um eine vGA dem Grunde und vor allem der Höhe nach feststellen zu können; vielmehr ist § 41 Abs. 1 S. 1 AO konsequent anzuwenden. Nunmehr hat sich der VI. Senat des BFH des § 41 Abs. 1 S. 1 AO vergegenwärtigt: Für die Besteuerung ist es danach unerheblich, wenn ein Rechtsgeschäft unwirksam ist oder es unwirksam wird, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen wollen. „§ 41 Abs. 1 [S.] 1 AO setzt daher immer ein (unwirksames, aber gleichwohl steuerwirksames) Rechtsgeschäft voraus. Der Anwendungsbereich der Norm ist mithin nicht eröffnet, wenn es überhaupt an einem Rechtsgeschäft fehlt“ (Rz. 35). Übertragen auf die Thematik der vGA wäre es wünschenswert, wenn der vorrangig sich mit der vGA Thematik beschäftigende I. Senat des BFH – wenn ein Rechtsgeschäft zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern (oder deren nahestehenden Personen) vorliegt, jenes also steuerwirksam, aber zivilrechtlich unwirksam ist – nicht bereits eine vGA dem Grunde nach annähme, sondern vielmehr § 41 Abs. 1 S. 1 AO konsequent anwenden würde: Lassen die Gesellschaft und die Gesellschafter jenes Rechtsgeschäft und seine wirtschaftliches Ergebnis bestehen, kann es sich allenfalls um eine vGA der Höhe nach handeln (vgl. Merkle/Vocke, BB 2019, 2519 [2525 f.]).