Grunderwerbsteuer: Wegfall der Steuervergünstigung bei Personengesellschaften und Erbengemeinschaften durch Verlängerung des „Beobachtungszeitraums“?


Artikel Anhören

Eine vermeintlich grunderwerbsteuerfreie Weiterveräußerung könnte zur Steuerfalle werden!
Nach der aktuellen Rechtslage besteht Unklarheit darüber, ob sich der Beobachtungszeitraum bei den Steuervergünstigungen der § 5 Abs. 3 GrEStG und § 6 Abs. 3 GrEStG von 5 auf 10 Jahre verlängert, wenn der Erwerb eines Grundstücks durch, z. B. eine Personengesellschaft oder Erbengemeinschaft, vor dem 1. Juli 2021 stattfand.

Wer z. B. als Gesellschafter vor dem 1. Juli 2021 steuerbegünstigt ein Grundstück auf seine Personengesellschaft übertrug und nun seine Anteile an der Gesellschaft weiterübertragen möchte, weil zwischenzeitlich die 5-Jahresfrist abgelaufen ist, sollte vorsichtig sein. Denn die Grunderwerbsteuer könnte u. U. dennoch rückwirkend festgesetzt werden.

Mit der Grunderwerbsteuerreform vom 12. Mai 2021 verlängerte der Gesetzgeber ab dem 1. Juli 2021 unter anderem die Beobachtungszeiträume der Steuervergünstigungen nach §§ 5, 6 GrEStG von 5 auf 10 Jahre. Bislang ist ungeklärt, ob sich die Verlängerung auch auf Erwerbe vor dem 1. Juli 2021 auswirkt.

Zum Hintergrund:

Die Grunderwerbsteuer wird nach § 5 Abs. 1 Satz 1 GrEStG u.a. nicht erhoben, wenn zwei Personen zu je 50 % Miteigentümer eines Grundstücks sind und sie dieses Grundstück an eine gemeinsame Personengesellschaft übertragen, an der sie ebenfalls zu je 50 % beteiligt sind.

Damit diese Regelung nicht zur Steuerumgehung missbraucht wird, beginnt mit dem Übergang des Grundstücks der Beobachtungszeitraum. Während dieses Zeitraums darf sich die Beteiligung der Übertragenden an der Personengesellschaft nicht verringern (sog. „Nachbehaltensfrist“). Anderenfalls wird die Steuer für diesen Erwerb nachträglich festgesetzt.

Rechtliche Unsicherheit und steuerliches Risiko!

Nach der aktuellen Rechtslage ist unklar, ob sich der Beobachtungszeitraum für Erwerbe vor dem 1. Juli 2021 von 5 auf 10 Jahre verlängert. Dies wird deutlich, wenn im obigen Beispiel der Erwerb des Grundstücks durch die Personengesellschaft im Jahr 2018 stattfand. Denn nach den einschlägigen Übergangsvorschriften ergibt sich folgender Widerspruch:

  • Nach § 23 Abs. 18 GrEStG gilt die 5-Jahresfrist, da der Erwerb vor dem 1. Juli 2021 stattfand.
  • Nach § 23 Abs. 24 GrEStG gilt die 10-Jahresfrist, da die 5-Jahresfrist zum 1. Juli 2021 noch nicht abgelaufen ist (und bereits vor dem 1. Juli 2021 begonnen hat).

Auch die Erlasse der obersten Finanzbehörden der Bundesländer vom 29. Juni 2021 schaffen in dieser Hinsicht keine Klarheit.

Es besteht Klärungsbedarf!

Betroffene sollten vor der Weiterveräußerung der Anteile Rechtsrat einholen. Zudem ist es in vergleichbaren Fällen empfehlenswert, mit dem Finanzamt in Kontakt zu treten und einen Antrag auf verbindliche Auskunft zu stellen. Denn die Lage, dass es bei der 5-Jahresfrist bleibt, ist nicht aussichtlos: Namhafte Autoren – unter anderem aus der Finanzgerichtsbarkeit – lehnen die Verlängerung des fünfjährigen Beobachtungszeitraums bei Erwerben vor dem 1. Juli 2021 ab.