Gilt die Infizierung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alt. 2. EStG auch für die Gewerbesteuer? - Mit Urteil vom 06.06.2019 (Az. IV R 30/16) hat der BFH entschieden, dass eine Umqualifizierung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung oder Kapitalvermögen in gewerbliche Einkünfte im Rahmen der Einkommensteuer zwingend ist, aber nicht auf die Gewerbesteuer durchschlägt
Personengesellschaften, die in erster Linie vermögensverwaltend tätig sind, d.h. der Art nach Einkünfte aus Kapitalvermögen oder Vermietung und Verpachtung erwirtschaften, erzielen steuerrechtlich vollumfänglich gewerbliche Einkünfte, wenn sie selbst „auch“ eine gewerbliche Tätigkeit ausüben („Seitwärtsinfektion“) oder gewerbliche Einkünfte beziehen („Aufwärtsinfektion“), d.h. sich an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft beteiligen. Diese sogenannte „Abfärbung“ bzw. „Infektion“ gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG schiebt die Personengesellschaft somit in die Gewerblichkeit.
Für die Seitwärtsinfektion (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 1. Alt. EStG) hat der BFH eine Bagatellgrenze (3 % bzw. 24.500 Euro) entwickelt (vgl. z.B. BFH v. 27.8.2014, VIII R 6/12). In seinem Urteil vom 6. Juni 2019 (Az. IV R 30/16) hat er nun die Übertragung dieser Bagatellgrenze auf die Aufwärtsinfektion (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 2. Alt. EStG), abgelehnt.
Infolgedessen kommt es selbst bei extrem geringen Einkünften der Mutter-Personengesellschaft aus Beteiligungen an gewerblich tätigen Tochter-Personengesellschaften zu einer gewerblichen Infizierung der gesamten Einkünfte. Zugleich hat der BFH jedoch entschieden, dass die Gewerblichkeit keine Gewerbesteuer bei der Mutter-Personengesellschaft auslöst und dies mit einer verfassungskonformen Auslegung begründet.
Auf den ersten Blick bringt das Urteil Erleichterungen bei der Gewerbesteuerbelastung. Tatsächlich betreffen diese jedoch nur einen bestimmten Kreis von Gesellschaftern: Natürliche Personen und einen kleinen Kreis von Kapitalgesellschaften. Für andere Gesellschafter kann sich das Urteil durch die Ablehnung der Bagatellgrenze sogar nachteilig auswirken. Der Entwurf des JStG 2019 dürfte diese Situation wohl ungewollt festschreiben, weil er im Kontext der Änderungen des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG die Bagatellgrenze nicht explizit in das Gesetz einführt und sie damit i.E. abschafft.